Susan Meiselas. Mediations

#ClosedButActive

Susan Meiselas, Sandinistas at the walls of the Estelí National Guard headquarters. Estelí, Nicaragua, 1979
Susan Meiselas, Trench graves are dug up at Sardaw, a former Iraqi military headquarter on the outskirts of Sulaimaniya, Kurdistan, northern Iraq, 1991
Susan Meiselas, Stencil of a Sandinista rebel throwing a Molotov cocktail, Nicaragua, 1982
Susan Meiselas, Photographs of 20-year-old Kamaran Abdullah Saber are held by his family at Saiwan Hill cemetery. He was killed in July 1991 during a student demonstration against Saddam Hussein. Kurdistan, northern Iraq, 1991
Susan Meiselas, Son of Elsie Smith, South Carolina, USA, 1974
Susan Meiselas, Muchachos await the counterattack by the National Guard. Matagalpa, Nicaragua, 1979
Susan Meiselas, Mississippi, USA, 1974
Susan Meiselas, Dee and Lisa on Mott Street. Little Italy, New York City, USA, 1976
Susan Meiselas, Carol, JoJo and Lisa hanging out on Mott Street. Little Italy, New York City, USA, 1976
Susan Meiselas, Lena on the Bally Box, Essex Junction, Vermont, USA, 1973

Um Ihnen die Zeit bis zur Wiedereröffnung zu verkürzen, möchten wir Sie zu einem Ausstellungsrundgang mit der Reportagefotografin Susan Meiselas einladen. Machen Sie eine virtuelle Tour durch die Wechselausstellung „Mediations“ und erhalten Sie einen Einblick in die Projekte, Reportagen und Arbeitsweise der Magnum Fotografin.

"Die Kamera liefert einen Vorwand, um an einem Ort zu sein, wo man ansonsten nicht hingehört. Sie ermöglicht mir eine Verbindung, aber auch eine gewisse Abgrenzung." 

Susan Meiselas 


MEDIATIONS 

Susan Meiselas' Praxis der Dokumentarfotografie begann in den 1970er-Jahren. Seitdem hat ihre Arbeit nie aufgehört, den Austausch mit den Menschen, die sie porträtiert, zu hinterfragen. Jedes ihrer Projekte – von denen viele langfristig angelegt sind – hinterfragt den fotografischen Akt und die Rolle, die das Bild in unserer Gesellschaft spielt. 

Bekannt wurde sie durch ihre Arbeit in den Konfliktgebieten Mittelamerikas in den 1970er- und 1980er-Jahren, dank der Stärke ihrer Farbfotografien und deren Vertrieb durch Magnum Photos, einer weltweit wichtigsten Foto-Agenturen, der sie 1976 beitrat. Meiselas beschäftigt sich mit vielen Themen und Ländern, vom Krieg bis zu Menschenrechtsfragen und von der kulturellen Identität bis zur Sexindustrie. Sie verwendet Fotografie, Film, Video und oft auch Archivmaterial, während sie unermüdlich Erzählungen erforscht und entwickelt und dabei die Beteiligung ihrer ProtagonistInnen in ihre Werke integriert.

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PRINCE STREET GIRLS

1975–1992

Ich fuhr mit dem Fahrrad durch meine Wohngegend in Little Italy. Plötzlich blitzte mir ein Lichtstrahl in die Augen. Sein Ursprung war eine Gruppe von Kindern, die mit einem Spiegel die Sonne auf mein Gesicht lenkten, sodass ich fast geblendet wurde. Das war der Tag, an dem ich die Prince Street Girls kennenlernte – so nannte ich diese Gruppe, die sich fast jeden Tag an der nahe gelegenen Ecke aufhielt.“

An der Serie Prince Street Girls arbeitete Susan Meiselas über einen Zeitraum von 17 Jahren. Sie hält darin die allmähliche Transformation der Mädchen in junge Frauen fest, wobei die Jugendlichen im Laufe der Jahre zunehmend an der fotografischen Dokumentation mitwirkten. Die Interaktion der fotografierten Person mit ihrem Umfeld ist ein wichtiger Aspekt von Meiselas’ fotodokumentarischer Arbeit.

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PORCH PORTRAITS

1974

Mitte der 1970er-Jahre erkundete Susan Meiselas eine Gegend in South Carolina, in der sie als Fotografielehrerin tätig war. Hier porträtierte sie Menschen unterschiedlichen Alters vor ihren kleinen, für die Südstaaten typischen Holzhäusern. Die BewohnerInnen posierten für die Fotografin in ihren Gärten oder auf ihren Veranden. „Ich fuhr eine Straße entlang, sah ein Haus, hielt mein Auto an und hoffte, dass jemand die Tür öffnen würde. Ich hatte mir vorab nicht überlegt, was ich sagen wollte. Ich erklärte zunächst, dass ich in der örtlichen Grundschule Fotografie unterrichtete, dass ich aus dem Norden käme und gerne ein Foto von ihnen machen würde. Ich wusste nicht wirklich, warum“, erinnert sich Susan Meiselas 2018.

Als junge weiße Fotografin tritt sie in Kontakt mit Menschen, deren Lebensrealität eine ganz andere ist als die ihre: Erst zehn Jahre zuvor, 1964, war die Rassentrennung in den USA aufgehoben worden. Meiselas lässt allen abgebildeten Personen einen Abzug ihrer Aufnahme zukommen – für Meiselas ein zentraler Aspekt des Projekts, zeugen die Fotografien doch von der Begegnung, dem Austausch und dem gegenseitigen Vertrauen zwischen Fotografin und Porträtierten. Aus den Porch Portraits entwickelte sich das Projekt Lando. Der gleichnamige Ort in South Carolina war rund um eine Baumwollspinnerei entstanden, die damals bereits geschlossen war. Hier initiierte Meiselas ein Community- Projekt. Sie fotografierte die dort lebenden Familien und schuf unter Beteiligung der lokalen Bevölkerung eine „visuelle Genealogie“, bestehend aus den Porträts der EinwohnerInnen und Bildern aus deren Familienalben.

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CARNIVAL STRIPPERS

1972–1975

In ihrem großen fotografischen Essay Carnival Strippers beschäftigte sich Susan Meiselas, parallel zu den Prince Street Girls, mit der Lebensrealität von Striptease- Tänzerinnen, die ihr Geld auf Jahrmärkten im Nordosten der USA verdienten. Über drei Jahre hinweg dokumentierte Meiselas das Arbeitsleben der Frauen und die Shows aus verschiedenen Perspektiven. Meiselas’ eindrucksvollen Einzelporträts fangen den Stolz und die Widerstandsfähigkeit, aber auch die Verletzlichkeit der Frauen ein. Audioaufnahmen, Notizen, Briefe und Objekte ergänzen die Werkserie. Meiselas’ Herangehensweise gleicht einer Feldforschung:

Ich wollte die Welt der ‚Carnival Strippers‘ kennenlernen. Die Feministinnen jener Zeit nahmen die Shows als Orte der Ausbeutung wahr und betrachteten die Frauen als Opfer. Aber ich war mehr daran interessiert, wie die Frauen in ihrer Welt gesehen wurden und was sie selbst über sich sagten. Ich wollte wissen, was sie motivierte.

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THE LIFE OF AN IMAGE: MOLOTOV MAN

1979–2009

Mit ihrer Berichterstattung über die Revolution in Nicaragua wurde Susan Meiselas einem internationalen Publikum bekannt. 1978 reiste sie ohne Auftrag in das lateinamerikanische Land, um die Protestdemonstrationen zu dokumentieren, die durch die Ermordung des Herausgebers der Oppositionszeitung La Prensa ausgelöst worden waren. Der Aufstand richtete sich gegen den korrupten Familienclan der Somozas, der von 1934 bis 1979 die Politik Nicaraguas diktatorisch bestimmte und wegen seiner dezidiert antikommunistischen Haltung von den USA unterstützt wurde.

Die nicaraguanische Revolution, an deren Spitze die sozialrevolutionäre Partei Sandinistische Nationale Befreiungsfront stand, erlangte international Aufmerksamkeit und wurde weltweit von Solidaritätsbewegungen, auch aus Österreich, unterstützt. In Zeiten des Kalten Krieges wurde die Idee eines humanen Sozialismus, die in Nicaragua erstarkte, zu einer politischen Vision jenseits von Kapitalismus und Kommunismus.

Susan Meiselas‘ Installationen Mediations mit Fotografien aus den Jahren 1978 bis 1982 und The Life of an Image: Molotov Man (1979–2009) zeichnen die Geschichte ihrer Bilder von den Revolutionsjahren in Nicaragua nach. Sie zeigen die Fotografien in den unterschiedlichen Kontexten, in denen sie seither zirkulierten. Einige ihrer Aufnahmen wurden zu Ikonen der nicaraguanischen Revolution. Für den Film Pictures from a Revolution (1991) suchte Meiselas ein Jahrzehnt später die damals von ihr fotografierten Menschen erneut auf und bat sie, die Bilder und die damalige Situation zu beschreiben. Daniel Ortega, der amtierende Präsident Nicaraguas, gehörte 1979 zu den Anführern der Rebellen. Seither hat sich Ortega, der bereits von 1985 bis 1990 Staatspräsident war, weit von der Vision der sandinistischen Revolution entfernt. Unter ihm ist Nicaragua erneut zu einem autoritären Staat geworden. Seit den landesweiten Demonstrationen 2018 gegen die Regierung wurden tausende Menschen von Ortegas paramilitärischen Truppen verletzt, eingesperrt oder getötet. Die Opposition, aber auch Menschenrechtsorganisationen, die Europäische Union, die UNO und die USA kritisieren die Verhaftungswelle vor den Wahlen im November 2021. Die von Susan Meiselas gestaltete Postkarte (zur freien Entnahme) stellt die Situation von 2018 jener von 1978 gegenüber.

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ARCHIVES OF ABUSE

1991–1992

Anfang der 1990er-Jahre wurde Susan Meiselas eingeladen, sich an einer Sensibilisierungskampagne gegen häusliche Gewalt in San Francisco zu beteiligen. Meiselas arbeitete hierzu mit dem San Francisco Police Department zusammen und legte den Fokus auf die visuelle und textliche Dokumentation von Gewaltverbrechen. „Die gesammelten Aufzeichnungen enthüllten eine Geschichte der Narben, die weit über das hinausging, was ich mir jemals hätte vorstellen oder ausmalen können.“, konstatiert die Fotografin rückblickend. „Ich entschied mich, mit dem zu arbeiten, was bereits vorlag, anstatt meine eigenen Fotos zu machen. Dann ging ich persönlich zu den Opfern, um ihre Erlaubnis einzuholen, dieses Material für meine Collagen zu verwenden.“ Mehrere solcher Collagen aus Polizeiberichten und Tatortaufnahmen sind so entstanden. Ein Sujet wurde an Bushaltestellen in San Francisco plakatiert.

A ROOM OF THEIR OWN

2015–2017

A Room of Their Own ist Meiselas’ jüngste Arbeit zum Thema häusliche Gewalt. Auf Einladung einer Non-Profit-Organisation arbeitete sie über einen Zeitraum von zwei Jahren im Black Country, eine postindustrielle, multiethnische Region in den West Midlands in Großbritannien. Gemeinsam mit Bewohnerinnen von Frauenhäusern erarbeitete Meiselas visuelle Erzählungen zu deren Lebensgeschichten, die gesammelt in einem Buch erschienen. Ziel des Projekts war es, die Frauen zu ermächtigen, ihre Geschichte selbst zu erzählen, ihr Selbstwertgefühl und ihre Identität zu stärken. Dabei sollte sowohl die Anonymität der Frauen als auch der Orte gewahrt werden. Nie geht es der Fotografin um „Stories“ oder das beste Bild. Vielmehr ließen Meiselas’ Einfühlungsvermögen und ihre respektvolle Beobachtungsweise den Frauen Raum, sich zu öffnen und von sich zu erzählen.

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KURDISTAN

seit 1991

Kurdistan ist das historische Siedlungsgebiet der KurdInnen – das Volk ohne Staat – und erstreckt sich im vorderasiatischen Raum in den Ländern Türkei, Iran, Irak und Syrien. Kurdistan ist auch der Name von Susan Meiselas’ Multimediaprojekt, das Fotografien, Videos, Dokumente und mündliche Berichte umfasst, die die Künstlerin seit 1991 zusammengetragen hat.

Begonnen hat dieses Langzeitprojekt, als Susan Meiselas in Zusammenarbeit mit Human Rights Watch Beweise für den unter Saddam Hussein begangenen Völkermord an den KurdInnen sammelte. „Ich war fassungslos über das, was ich sah. Ich war noch nie Zeugin einer so vollständigen und systematischen Zerstörung des dörflichen Lebens geworden, nicht einmal in den zehn Jahren, in denen ich über die Konflikte in Zentralamerika berichtete“, erinnert sich die Fotografin. Über Jahre hinweg kehrte Meiselas immer wieder in die Region zurück, schließlich weitete sie ihre Recherchen auf die unterschiedlichsten Weltgegenden aus, um die persönlichen Geschichten von vertriebenen und geflohenen KurdInnen in Erfahrung zu bringen. Sie erarbeitet mit diesen in der Diaspora lebenden KurdInnen textuelle und visuelle Formen, die deren individuelle Geschichten erfahrbar machen sollen. So entsteht im Laufe der Jahre ein großes Archiv, das sie in Form der Online-Plattform akaKURDISTAN (seit 1998) und als Buch (Kurdistan, 1997, 2. Auflage 2008) veröffentlichte.

In der Ausstellung wird das Projekt als große Story- Map präsentiert – ein Archiv, das das kollektive Gedächtnis und die Geschichte eines über die ganze Welt verstreuten Volkes bewahrt und dabei die Rolle der Fotografie in der Geschichtsschreibung und Erinnerungspraxis beleuchtet. Auch die Ergebnisse des Workshops mit in Wien lebenden KurdInnen, den Meiselas im September 2021, kurz vor der Ausstellungseröffnung, durchgeführt hat, sind in Form von Booklets integriert.

Durch ihre intensive Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Personen fördert Susan Meiselas individuelle, bisher ungehörte Geschichten zutage, die sich zu einer ebenso einzigartigen wie vielstimmigen Erzählung fügen.

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Über Susan Meiselas

Susan Meiselas wurde 1948 in Baltimore, Maryland, geboren und lebt seit den 1970er-Jahren in New York City. Meiselas kam 1976 zu Magnum Photos und arbeitet seitdem als freiberufliche Fotografin. Ihre Fotografien wurden in zahlreichen Museen und Einzelausstellungen gezeigt – zuletzt etwa 2016 im Fotografie Forum Frankfurt und 2018 im Jeu de Paume sowie im San Francisco Museum of Modern Art – und sind in wichtigen Sammlungen weltweit vertreten. Susan Meiselas wurde unter anderem die Robert Capa Gold Medal, der Hasselblad Foundation Award und der Deutsche Börse Photography Foundation Prize verliehen. Die Ausstellung ist eine Kooperation mit C/O Berlin und wird dort im Frühjahr 2022 ebenfalls gezeigt.

Susan Meiselas. Mediations

Susan Meiselas, Eröffnung "Mediations" © KUNST HAUS WIEN, Foto: esel.at - Lorenz Seidler

Vertiefende Buchempfehlungen zu den Arbeiten Susan Meiselas' 

  • Mediations, Susan Meiselas, 2017 Verlag: Damiani; Nachdruckausgabe
  • On The Frontline, Susan Meiselas, 2017, Verlag: Thames & Hudson Ltd.
  • Nicaragua, Susan Meiselas, 2016, Verlag: Aperture
  • Eyes Open: 23 Photography Ideas for Curious Kids, Susan Meiselas, 2021, Verlag: Aperture
  • Proch Portraits - Photopaper Magazine, Susan Meiselas, Verlag: PHOTOPAPER


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