Herwig Turk
Anamnese einer Landschaft
Der österreichische Künstler Herwig Turk setzt sich seit Jahren mit der Flusslandschaft des Tagliamento auseinander. Der Tagliamento in der oberitalienischen Region Friaul gehört zu den wenigen nicht regulierten Flüssen Mitteleuropas. Er entspringt am Mauriapass nahe der österreichischen Grenze und mündet 170 Kilometer weiter südlich zwischen Bibione und Lignano Sabbiadoro in die Adria. Das Flussbett ist charakterisiert durch weitläufige, mäandernde Kies- und Sandbänke, die sich je nach Jahreszeit durch das Wasser dynamisch verändern.
Der Tagliamento ist ein einzigartiges Ökosystem und verfügt über eine im europäischen Vergleich überdurchschnittlich hohe Diversität an Tier- und Pflanzenarten. Eine solche Wildflusslandschaft ist heute für die meisten Menschen ein beeindruckender und seltener Anblick.
In seiner künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Tagliamento stellt Turk die Flussgebiete als Orte mit unterschiedlichen Nutzungen und kulturellen Zuschreibungen vor. Dem Künstler geht es dabei nicht nur um das Wasser, sondern auch um die BewohnerInnen der angrenzenden Ufer und die Ausläufer des Flusses.
Die
raumgreifende Installation in der Garage des KUNST HAUS WIEN besteht aus
mehreren Röntgenleuchtkästen unterschiedlicher Größe, aus Siebdrucksieben,
beschrifteten Glasplatten und einer Vierkanal-Videoinstallation. Auf diese
unterschiedlichen Medien hat der Künstler seine Beobachtungen der Flusslandschaft
facettenreich montiert. Turk dokumentiert die geologischen Gegebenheiten und
Veränderungen, wie durch das Erdbeben von 1976, hält die ökonomische Verwertung
der Rohstoffe Kies und Wasser fest, folgt den Spuren kriegerischer
Auseinandersetzungen im Ersten Weltkrieg und beleuchtet das Thema des
Naturschutzes anhand ökologischer Forschungseinrichtungen vor Ort.
Turk
zeigt den Fluss als dynamisches, komplexes System von geopolitischen
Transformationen und verhandelt damit beispielhaft zentrale Facetten des mitteleuropäischen
Naturverständnisses. Anamnese einer
Landschaft wird als multimediale Installation im KUNST HAUS WIEN erstmals
umfassend präsentiert.
Herwig
Turk wurde 1964 in St. Veit an der Glan geboren und arbeitet als Künstler in
Wien. Seine Projekte entstehen im Spannungsfeld von Kunst, Technologie und
Wissenschaft. Seit 2006 nimmt die Landschaft als Versuchslabor industrieller,
militärischer und logistischer Aktivitäten in seiner Arbeit eine zentrale
Stellung ein.