School of London

12.05.-29.08.99

Die Bezeichnung “School of London” - 1976 vom aus Amerika stammenden Maler Ronald B. Kitaj geprägt, um auf die außerordentliche Vielfalt und Vitalität hinzuweisen, die er in der zeitgenössischen Kunst Englands vorgefunden hatte - gilt im wesentlichen einer Gruppe von Künstlern, die in den 50er Jahren in der britischen Hauptstadt lebten und sich trotz des Aufkommens und der späteren Dominanz der abstrakten Kunst der Erneuerung der figurativen Malerei verschrieben hatten.

Im wesentlichen soll diese Sammelbezeichnung auf die Tatsache hinweisen, daß London seit dem Krieg eine Vielfalt an überaus schöpferischen Künstlern hervorgebracht hat. Obwohl, wie die Ecole de Paris, die Bezeichnung “School of London” ein dehnbarer Begriff bleibt, bildet eine durchaus profilierte Gruppe figurativer Maler ihren Kern, die sich von den späten 50er Jahren an durch gemeinsame Bewunderung und Ambitionen verbunden fühlten - zu jener Zeit also, als die Abstraktion zur dominanten Mode wurde:Sie verfolgten untereinander aufmerksam ihre jeweiligen Arbeiten und stellten in derselben Galerie im West End aus.

Wenn die “School of London” überhaupt eine führende Persönlichkeit gehabt hat, so müßte man Francis Bacon nennen, der für alle diese Künstler eine Art Vorbild des Schöpferischen und Unabhängigen darstellte, nicht zuletzt für seinen engen Freund, den meisterhaften Maler des menschlichen Fleisches, Lucian Freud. Leon Kossoff und Frank Auerbach studierten zusammen und waren beide vom Expressionismus tief beeinflußt, während ihr Freund Michael Andrews eine intensiv- persönliche Sicht entwickelt hat, in der die Wirklichkeit durch hintergründige Verzerrungen erst einprägsam wird. Durch sein Engagement für das Figurative und seinen Einsatz für die Anerkennung der Gruppe als solche galt Kitaj automatisch als Mitglied der “School of London”, zu der auch der in Paris lebende Bildhauer Raymond Mason gehört, der die übrigen Künstler kennenlernte und mit ihnen ausstellte, bevor er London verließ.

Die Arbeit dieser Künstler hat auf eine ganze jüngere Generation von Malern in London eingewirkt. Sie werden in dieser Ausstellung durch Paula Rego, Bill Jacklin, Celia Paul, Tony Bevan und Stephen Conroy vertreten, die zwar durchaus eigene Bilderwelten erschaffen haben, aber alle durch den leidenschaftlichen Glauben an die menschliche Gestalt als Kernpunkt ihrer Kunst beseelt sind. Der erste Teil der Ausstellung präsentiert den nach gängiger Meinung harten Kern der “School of London”: Francis Bacon, Leon Kossoff, Michael Andrews, Frank Auerbach,  Ronald B. Kitaj. Hinzu kommt Raymond Mason, der aus England stammende, in Paris lebende Bildhauer, der seine frühen Arbeiten in den 50er Jahren in London ausgestellt hat.

Die Arbeiten von Lucian Freud, die im Rahmen dieser Ausstellung jüngst in Paris und Santiago de Compostela gezeigt wurden, können in Wien nicht präsentiert werden, weil Mr. Freud es nicht gestattet, daß seine Werke in Österreich ausgestellt werden. Der zweite Teil der Ausstellung, der durch Jill Lloyd betreut wird, eröffnet die Diskussion durch die Einführung einer jüngeren Generation figurativer Maler: Paula Rego, Bill Jacklin, Stephen Conroy, Celia Paul und Tony Bevan. Während ihrer ganzen Laufbahn waren sie sich über die Verdienste der Maler der “School of London” im Klaren - durch einen harten Kampf in einer durch die Abstraktion beherrschten Zeit - und sie teilen mit ihnen ein Engagement für die menschliche Gestalt als den natürlichen Mittelpunkt ihrer Kunst. Darüber hinaus legen sie vor allem eine Vielfalt der Temperamente und Mittel, Phantasie und Technik an den Tag.

Sie legen auch dafür beredtes Zeugnis ab, daß die figurative Kunst in England heute weiterhin schöpferisch und vital ist. Betreut wird die Ausstellung von Michael Peppiatt, einem bekannten Kenner der modernen britischen Kunst, und Jill Lloyd, die eigene Forschungen über die zweite Generation der britischen figurativen Maler beigesteuert hat. Sie wird durch einen reichlich illustrierten Katalog in Deutsch und Englisch begleitet, mit Essays der Kuratoren sowie Interviews mit den Künstlern und ausgewählten Texten der Künstler zu ihrem Werk. Es wird die erste definitive Publikation zu diesem Thema in deutscher Sprache sein und, zusammen mit der Ausstellung, einen wesentlichen Beitrag zur Kenntnis und zum Verständnis der zeitgenössischen britischen Kunst in Europa darstellen.