Snowdon. Photographs - Eine Retrospektive
Als erstes Museum Österreichs veranstaltet das KunstHausWien eine Retrospektive der Arbeiten Snowdons, eines der vielseitigsten Photographen seiner Generation. Die Ausstellung wird viele seiner witzigen Modephotos präsentieren, aber auch die Portraitaufnahmen, für die er vor allem bekannt geworden ist. Gezeigt werden auch seine legendären Dokumentarphotos für das Magazin der Sunday Times, die ihn von seiner neugierigen und sozialbewußten Seite zeigen.
Tony Armstrong Jones (wie er damals hieß) studierte zwei Jahre lang Architektur in Cambridge. Nach dem gescheiterten Examen begann er auf Anregung eines Onkels, des Bühnenbildners und Künstlers Oliver Messel, Photos von Menschen im Theater zu machen. Seine körnigen, mit einer Kleinbildkamera geschossenen Bilder entstanden oft bei Proben; sie waren voller Bewegung und veränderten grundlegend die Art, wie die Theaterphotographie auszusehen und wie das Theater sich zu präsentieren hatte. Seit vielen Jahren photographiert er die führenden Persönlichkeiten der Kunstwelt für Vogue und Vanity Fair und dem Telegraph-Magazin. Es trifft zwar zu, daß sein Herz für die Welt des Balletts, für die Welt der Maler und Bildhauer schlägt, aber er hat auch eine besondere Sympathie für Bühnenschauspieler und -schauspielerinnen.
Auch an die Modephotographie ging er mit ähnlich bilderstürmerischer Grundhaltung heran: Selten hatten Models derartig ausgefallen und ausladend auf den Tragflächen von Flugzeugen posiert, oder auf zwecks Plattgedrücktwerdens aufgestapelten Autowracks oder just in dem Moment, als Sektflöten vom Koffer herunterpurzelten oder Säcke aus dem Fenster des obersten Stockwerks herunterflogen.
Snowdons Schwarzweiß-Photos für die Sunday Times dokumentieren die Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten des Lebens. Zu jenen, die am längsten im Gedächtnis haften bleiben, gehört der Photoessay “Manche unserer Kinder" (Some of Our Children). Ebenso unvergeßlich und einfühlsam sind seine Aufnahmen zu den Themen Alter, Geisteskrankheit oder Einsamkeit.
Snowdon haßt es, als Spezialist abgestempelt zu werden und hat mit den Jahren unzählige Landschaften, Blumen und Menschen photographiert, mit einer “hoffentlich frischen Sichtweise", wie er sagt. Zu seinen jüngsten Buchveröffentlichungen zählen schmale Bändchen über Feldblumen, Obst und “Das unsichtbare London" (London Unseen), eine persönliche Führung durch die versteckten Gebäude Londons. Eine frühere Buchveröffentlichung, “London" (1958), eine der ersten Zusammenstellungen seiner Photographien überhaupt, ist ein Meilenstein der Dokumentarphotographie und eine persönliche Sicht jener Stadt, in der er seit Jahrzehnten arbeitet.
Außer als Photograph hat sich Snowdon dann und wann (meist gleichzeitig) als Designer, Schriftsteller, Filmemacher (wofür er einen “Emmy" bekommen hat), Bühnenbildner, Gestalter von Skimode, Uhren, Möbel und Rollstühlen mit Motorantrieb betätigt. Mit Cedric Price und Frank Newby entwarf er das Vogelgehege im Londoner Zoo, das zwischenzeitlich unter Denkmalschutz (“Grade II³) gestellt worden ist. Er ist auch ein leidenschaftlicher Verfechter der Gleichberechtigung der Behinderten.
In der Photographie nimmt er nach wie vor eine imponierende Stellung ein; unermüdlich liefert er Beiträge an Zeitschriften und will bei allem, was er unternimmt, eine frische Sichtweise hereinbringen. Was er in seinem ersten Buch, “London", am Beginn seiner Laufbahn, über seine Arbeitsweise geschrieben hat, gilt für seine Bilder heute genauso:
“Ich finde, Photos sollten technisch einfach und leicht aufzufassen sein. Sie sollten nicht für andere Photographen gemacht sein; sie sollen letzlich bei normalen Menschen eine Reaktion auslösen - daß sie lachen müssen, oder etwas sehen, das sie bis dahin nicht wahrgenommen haben, oder betroffen sind. Aber nicht, daß sie zusammenzucken, das wohl nicht."