Hundertwasser und seine Visionen in Grün
Hundertwasser im Einklang mit der Natur
Die folgenden Beiträge stammen aus dem Buch "100x Hundertwasser. Künstler - Visionär - Nonkonformist" von Caro Wiesauer
Erschienen im MetroVerlag
Die Brennnessel-Aktion
Dass man ohne Geld glücklich und autark leben könne, unabhängig sein und sich nicht ausbeuten lassen solle, war die Kernbotschaft des Manifests, das Hundertwasser anlässlich der legendären „Brennnessel-Aktion“ im Januar 1969 im Rahmen des „Anti-Procès“, einer künstlerischen Demonstration gegen den Algerienkrieg, rund um Alain Jouffroy in der Galerie Quatre Saisons in Paris verlas. „Wisst ihr, wie einfach es ist, ohne Geld zu leben. Man muss nur Brennnesseln essen. (…). Sie sind ganz umsonst.“ Ganz konkret prangerte er damit die Abhängigkeit der Künstler vom Kunstmarkt an.
Die einige Stunden dauernde Aktion, an der mehrere Künstler – darunter Jean-Jacques Lebel – teilnahmen, fand zwei Jahre vor dem ersten Happening der Wiener Aktionisten statt.
In einem großen Waschkessel wurden Brennnesseln, die Hundertwasser hinter dem Palais de la Porte Doreé gepflückt hatte, gekocht und anschließend an das Publikum verteilt. Hundertwasser selbst aß drei Brennnessel-Stauden. – Weil im Kessel noch Spuren von Reinigungsmitteln waren, schmeckten sie nach Seife und ihm wurde übel davon.
Hundertwasser wandte sich damals auch mit einer improvisierten Rede ans Publikum, in der er über den chinesischen Imperialismus sprach, der gerade Tibet zu beherrschen begann. Zu dieser Zeit waren die meist diskutierten politischen Themen Vietnam und Algerien, aber niemand sprach über den Tibetaufstand. Hundertwasser war gut informiert und erzählte genau, was sich dort abspielte. Die Leidenschaft, mit der er das tat, faszinierte die Zuhörer.
Das Grüne Dach
Dachbegrünungen sind ein Beitrag zum ökologischen Ausgleich im Siedlungsraum und können in stark versiegelten Gebieten einen namhaften Beitrag zur Artenvielfalt leisten.“ Ein Zitat, das aus Hundertwassers Schrift „Dachbegrünung“ (1986) stammen könnte. Entnommen ist es dem 2009 herausgegebenen Leitfaden der Umweltberatung Wien. Nicht nur Privatpersonen richten heute oft den Wunsch nach einem Grasdach an ökologisch orientierte Architekten. Auch im öffentlichen Bereich werden sie bei Sanierungen zunehmend angelegt. Hundertwasser erkannte schon Ende der 1960er Jahre den Nutzen von grünen Dächern für Natur und Mensch und zeigte Anfang der 1970er Jahre in ersten Modellen die Möglichkeit der Dachbewaldung. Das Hundertwasserhaus in Wien hatte er ab 1978 so konzipiert, dass der Natur die gesamte horizontale verbaute Fläche zurückgegeben wurde. „Dachbegrünungen sind die Dachbedeckungen der Zukunft.“ Einen Wald auf dem Dach zu haben oder eine wilde Wiese oder einen Gemüsegarten werde selbstverständlich sein. „Ich als Künstler bin mir immer bewusst, dass die Kreativität der Natur und die Kreativität des Menschen wieder vereinigt werden müssen, wenn wir alle als Ebenbild Gottes auf dieser Erde überleben wollen (…) Wir lebten zu lange nach der Maxime: Machen wir uns die Natur untertan. Jetzt ist es an der Zeit, dass wir diesen Irrweg rückgängig machen.“
Friedensvertrag mit der Natur
Seine Vorstellung von einem Leben in Harmonie mit den Gesetzen der Natur fasste Hundertwasser in sieben Punkten zusammen:
- Wir müssen die Sprachen der Natur lernen, um uns mit ihr zu verständigen.
- Wir müssen der Natur Territorien zurückgeben, die wir uns widerrechtlich angeeignet und verwüstet haben, z.B. nach dem Grundsatz: Alles, was waagerecht unter freiem Himmel ist, gehört der Natur.
- Toleranz der Spontanvegetation.
- Die Schöpfung des Menschen und die Schöpfung der Natur müssen wiedervereinigt werden. Die Entzweiung dieser Schöpfung hatte katastrophale Folgen für die Natur und den Menschen.
- Leben in Harmonie mit den Gesetzen der Natur.
- Wir sind nur Gast der Natur und müssen uns dementsprechend verhalten. Der Mensch ist der gefährlichste ,Schädling‘, der je die Erde verwüstet hat. Der Mensch muss sich selbst in seine ökologischen Schranken zurückweisen, damit die Erde sich regenerieren kann.
- Die menschliche Gesellschaft muss wieder eine abfalllose Gesellschaft werden. Denn nur der, der seinen eigenen Abfall ehrt und wiederverwertet in einer abfalllosen Gesellschaft, wandelt Tod in Leben um und hat das Recht, auf dieser Erde fortzubestehen, dadurch, dass er den Kreislauf respektiert und die Wiedergeburt des Lebens geschehen lässt.“
Karls Garten: Relaxen neben Kräutertürmen mitten in Wien
Hier finden sich Hundertwassers stadtökologische Gedanken und Recycling-Ideen zeitgemäß umgesetzt: Ein Hotspot für Landwirtschaft am Karlsplatz in Wien, wo Tag und Nacht die Autolawinen vorbeirollen. 2013 auf Vereinsbasis gegründet, ist „Karls Garten“ mittlerweile nicht nur ein beliebter Treffpunkt für Urban Gardener und Anhänger der Zero-Waste-Bewegung, die hier wertvolle Tipps von Experten finden. In den warmen Jahreszeiten kann man auch einfach nur auf begrünten Paletten-Möbeln relaxen und den Ausblick auf Kräuter-Kisten-Türme genießen. „Karls Garten“ ist ein Versuchslabor für alte Pflanzensorten und Raritäten genauso wie für wissenschaftliche Untersuchungen über Auswirkungen von Feinstaub und Schwermetalle auf Substrate und Erträge. Die durchgeführten Forschungen werden von Universitäten begleitet und in Studien festgehalten und ausgewertet. Auch die Auswirkungen von begrünten Flächen auf das urbane Klima werden geprüft. Neben einem Forschungs- und Schaugarten existieren eine Bienenweide, ein Weingarten, ein Getreidehügel und ein grüner Gürtel aus Pflanzen, der den Garten vom Verkehr abschottet und sich als Feinstaubfänger eignet – das alles auf nur 2.000 Quadratmetern. Der Karlsplatz wurde übrigens auch früher landwirtschaftlich genutzt. Anfang des 19. Jahrhunderts grasten hier noch Ziegen entlang des später in den Untergrund verbannten Wienflusses.