Geschichte & Gestaltung
Das KunstHausWien ist ein Haus der Schönheitshindernisse, wo die Schönheit die wirksamste Funktion innehat, ein Haus der nicht-reglementierten Unregelmäßigkeiten, der unebenen Fußböden, der Baummieter und der tanzenden Fenster. Es ist ein Haus, in dem man ein gutes Gewissen der Natur gegenüber hat. Es ist ein Haus, das nicht den üblichen Normen entspricht, ein Abenteuer der modernen Zeit, eine Reise in das Land der kreativen Architektur.
Friedensreich Hundertwasser, 1991
Für Hundertwasser war die Architektur des KunstHausWien „das erste Bollwerk gegen eine falsche Ordnung der geraden Linie, der erste Brückenkopf gegen das Rastersystem und gegen das Chaos des Nonsens.“ Er realisierte in der ehemaligen Thonet Möbelfabrik am Donaukanal gemeinsam mit dem Architekten Peter Pelikan einen fünfstöckigen Museumsbau, einer Fusion aus alt und neu, bei dem möglichst viele Elemente erhalten bleiben sollten. Neben der Gestaltung von rund 1500 m2 Ausstellungsfläche wurden die Räumlichkeiten für einen Museumshop und ein großzügiges Museumscafé geschaffen. Hundertwassers Atelierwohnung stand dem Künstler in der letzten Etage zu Verfügung – ein Refugium mit bewaldeter Dachterrasse, das räumlich an HW Schiff Regentag erinnert. Nach zweijähriger Umbauzeit wurde das KunstHausWien 1991 eröffnet, Hundertwassers Credo „Kunst muss wieder Farbe bekennen. Kunst muss sich wieder an den Menschen wenden (….) Die Kunst muss wieder die Natur und die Gesetze und den Menschen und sein Streben nach den wahren und dauerhaften Werten einbeziehen“ wurde als Gründungsurkunde in einem Säulenstumpf eingemauert.
Die dritte Haut im dritten Bezirk
Der Mensch ist von drei Schichten umgeben, von der Haut, von der Kleidung und von den Mauern, dem Gebäude. Die Kleidung und die Mauern der Gebäude haben in der letzten Zeit eine Entwicklung genommen, die nicht mehr den Naturbedürfnissen des einzelnen entsprechen. Die Außenwände unserer modernen Häuser sind unsere Gefängnismauern, denn sie sind anonym, emotionslos, aggressiv, herzlos, kalt und gähnend leer.
Meine unregelmäßige Gestaltung ist als Vorleistung auf das Fensterrecht jedes einzelnen zu betrachten. Die Fassade ist nicht perfekt glatt und flach, sondern buckelig und mit unregelmäßigen Mosaiken durchzogen. Schwarzweißes, unregelmäßiges Schachbrettmuster signalisiert das Auflösen des Rastersystems, das im Aufbrechen ist.
Was wir dringend benötigen, sind Schönheitshindernisse, diese Schönheitshindernisse bestehen aus unreglementierten Unregelmäßigkeiten.
Hundertwasser, 1985/1991
Die Fensterdiktatur und das Fensterrecht
Die einen behaupten, die Häuser bestehen aus Mauern. Ich sage, die Häuser bestehen aus Fenstern.
Die Repetition immer gleicher Fenster nebeneinander und übereinander wie im Rastersystem ist ein Merkmal der Konzentrationslager.
Fenster in Reih und Glied sind traurig, Fenster müssen tanzen können.
Ein Mann in einem Mietshaus muß die Möglichkeit haben, sich aus seinem Fenster zu beugen und – so weit seine Hände reichen – das Mauerwerk abzukratzen. Und es muß ihm gestattet sein, mit einem langen Pinsel – so weit er reichen kann – alles außen zu bemalen, sodass man von weitem, von der Straße sehen kann: Dort wohnt ein Mensch, der sich von seinen Nachbarn, den einquartierten versklavten Normmenschen, unterscheidet.
Hundertwasser, 1990
Baummieter sind Botschafter des freien Waldes in der Stadt
Zehn Baummieter wachsen aus den Fenstern des KunstHausWien. Baummieter sind weithin sichtbar und kommen vielen Menschen zugute, insbesondere den Menschen, die rundherum gehen und wohnen. Der Baummieter symbolisiert eine Wende, in der dem Baum wieder ein bedeutender Stellenwert eingeräumt wird als Partner des Menschen. [...]
Wir ersticken in unseren Städten an Luftverpestung und Sauerstoffmangel, die Vegetation, die uns leben und atmen lässt, wird systematisch vernichtet. Wir laufen an grauen, sterilen Hausfassaden entlang.
Es ist deine Pflicht, der Vegetation mit allen Mitteln zu ihrem Recht zu verhelfen.
Die senkrechten, sterilen Wände der Häuserschluchten, unter deren Aggressivität und Tyrannei wir täglich leiden, werden zu grünen Tälern, wo der Mensch frei atmen kann. [...]
Der Baummieter ist ein Geber, er ist ein Stück Natur, ein Stück Heimat, ein Stück Spontanvegetation in der anonymen, sterilen Wüste der Stadt, ein Stück Natur, das vom Menschen und seiner Technokratie unkontrolliert und unbevormundet wachsen kann.
Hundertwasser, 1991
Der unebene Boden
Der gerade Boden ist eine Erfindung der Architekten.
Er ist maschinengerecht und nicht menschengerecht.
Die Menschen haben nicht nur Augen, um sich an Schönem zu erfreuen, und Ohren, um Schönes zu hören, und Nasen, um Schönes zu riechen. Der Mensch hat auch einen Tastsinn für Hände und Füße.
Ein belebter, unebener Fußboden bedeutet eine Wiedergewinnung der Menschenwürde, die dem Menschen im nivellierenden Städtebau entzogen wurde.
Der unebene Wandelgang wird zur Symphonie, zur Melodie für die Füße. Er bringt den ganzen Menschen in Schwung.
Hundertwasser, 1991